Praxis
Dr. med. Martha Ritzmann-Widderich - Arno Widderich - Rottweil
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Bei Nahrungsmittelallergien denkt man zuerst an Kribbeln in
Mund und Rachenraum, an Schwellungen der Schleimhaut bis hin zu Atemnot und
an typische Symptome wie Übelkeit, Darmkrämpfe, Durchfall und Hautausschläge.
Erst seit es neue Untersuchungsverfahren gibt, um auch versteckte Allergien
aufzudecken, weiß man aber, dass auch völlig andere Probleme eine allergische
Ursache haben können.
In der Naturheilkunde hat man beispielsweise schon lange die Erfahrung gemacht,
dass mentale und seelische Störungen wie Müdigkeit oder Antriebsschwäche ebenso
wie Verhaltens- und Lernstörungen bei Kindern auf eine Nahrungsmittelallergie
hindeuten können. Der körperliche, geistige und seelische Zustand kann starken
Schwankungen unterworfen sein - je nachdem, wann und wie oft die Betroffenen
mit den unverträglichen Nahrungsmitteln in Kontakt kommen.
Oder sind Sie auch einer jener scheinbar hoffnungslosen Fälle, bei denen Diäten
stets erfolglos verlaufen? Möglicherweise ist eine versteckte Lebensmittelallergie
die Wurzel des Übels: Sie kann nämlich eine Reizung der Magenschleimhaut verursachen
und dadurch richtiggehende Heißhungergefühle auslösen. Auch über andere Mechanismen
(Ausschüttung von TNF-alpha, siehe unten) wird die Gewichtszunahme begünstigt
bzw. das Abnehmen verhindert.
Selbstverständlich muß nicht jedes erwähnte Symptom mit einer Nahrungsmittelallergie
in Zusammenhang stehen. Aber immerhin gibt es heute die Möglichkeit solche
Allergien festzustellen. Das war nicht immer so.
Die älteren Allergietests an der Haut reagierten häufig nicht, Auslass- oder
Rotationsdiäten waren schwierig oder nur in einer Klinik mit Diätküche durchzuführen
und vor allem sehr zeitaufwendig. Kurzum es war bis vor wenigen Jahren mühsam
bis unmöglich eine nicht offensichtliche Nahrungsmittelallergie tatsächlich
nachzuweisen. Die ersten Blutuntersuchungen auf allergieauslösende IgE-Antikörper
verbesserten die Situation, später kamen Meßmöglichkeiten für IgG-Antikörper
dazu und seit einigen Jahren hat auch der Lymphozyten-Transformations-Test
den Wechsel vom universitären Forschungslabor in die Praxis geschafft.
So aufwendig diese Untersuchungen im Einzelfall auch sind: Die Konsequenz
eines positiven Test ist zunächst um so einfacher. Durch schlichtes Meiden
der betroffenen Nahrungsmittel bessern sich innerhalb von wenigen Wochen,
teilweise innerhalb von Tagen die entsprechenden Symptome. Daneben existieren
dann naturheilkundliche Behandlungsansätze, die oft mittel- bis langfristig
die Wurzel des Ganzen, also die Fehlsteuerung des Immunsystems beeinflussen
können.
Sofortreaktionen
Geschwollene Lippen und ein geschwollenes Gesicht Ein prickelndes Gefühl in der Mundhöhle und auf den Lippen Erbrechen, Magenkrämpfe, Durchfall, plötzlich rinnende Nase, Hautausschläge, Verengung der Bronchien, allergischer Schock.
Stimmungsschwankungen, Aggressivität, Weinerlichkeit, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit nach Mahlzeiten oder auch ständig, Antriebsschwäche bis hin zur Depression, Gewichtszunahme bzw. hartnäckiges Übergewicht, Migräne, rheumatische Erkrankungen, Neurodermitis.
Kinder fallen häufig durch ständiges Nasenreiben auf (Allergiker-Gruß).
Sie haben oftmals Augenringe, plötzlich knallrote Ohren und/oder glühende
Wangen.
In einigen Fällen haben sich übrigens auch Hyperaktivitäts-Syndrome
nach dem Meiden unverträglicher Nahrungsmittel gebessert.
Nahrungsmittelallergien können allein schon deshalb so vielschichtige Symptome verursachen, weil ganz verschiedene immunologische Mechanismen dahinterstehen.
Vermittelt durch Antikörper vom Typ IgE gegen bestimmte Nahrungsmittel.
Die Typ I- Allergie läuft in zwei Phasen ab.
Phase 1: Sofortreaktion innerhalb von Sekunden bis Minuten durch die Ausschüttung
von Gewebehormonen.
Phase 2: Nach drei bis maximal 24 Stunden kommt es zur entzündlichen Spätreaktion.
IgE-Antikörper lassen sich im Blut messen oder teilweise auch durch Hauttests
nachweisen. Typ I Reaktionen sind aber meist gut zuzuordnen, dassdie Beschwerden
immer im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem Nahrungsmittelkontakt auftreten
und auch nur relativ kurz andauern.
Auslöser sind lösliche Komplexe aus IgG4-Antikörpern und den Nahrungsmittel-Allergenen.
Die IgG4 Antikörper markieren die Nahrungsmittelallergene als körperfremd,
ein Vorgang, der so auch bei Viren, Bakterien und anderen eingedrungenen Schadstoffen
abläuft. Diese Antigen-Antikörper-Komplexe gehen zunächst in Blut-
oder Lymphe gelöst auf Wanderschaft, lagern sich jedoch später im Gewebe ab
und lösen eine lokale Entzündungsreaktion aus.
Neutrophile weiße Blutkörperchen setzen bei Kontakt mit den Immunkomplexen
nämlich agressive Enzyme (Proteasen) und Sauerstoffradikale frei, um
den jeweiligen Eindringling zu zerstören. Was bei Viren nach deren Beseitigung
endet, läuft bei Nahrungsmittelallergien standig weiter so ab und endet
erst, wenn die entsprechenden Nahrungsmittel weggelassen werden. Durch die
ständige Freisetzung dieser zerstörerischen Stoffe kommt es zu Gewebeschäden
und chronischen Entzündungen.
In diesem Zusammenhang werden auch große Mengen an TNF-alpha ausgeschüttet.
TNF-alpha ist ein Überträgerstoff (Mediator), der einerseits an
Entzündungsprozessen beteiligt ist, andererseits aber bei entarteten
Zellen die Energieversorgung blockiert und sie dadurch zum Absterben bringt
(deshalb Tumor-Nekrose-Faktor = TNF). Konkret wird die Aufnahme von Blutzucker
in diese Zellen verhindert und zwar dadurch, das TNF-alpha die Insulinrezeptoren
blockiert. Wenn dies - wie bei übermäßiger TNF-alpha Freisetzung
als Folge von Nahrungsmittelallergien - überall im Körper passiert,
entwickelt sich eine sogenannte Insulinresistenz. Dadurch ensteht eine Neigung
zur Gewichtszunahme und letztlich das schon oben erwähnte, hartnäckige
Übergewicht.
Alle durch diese Art von Immunreaktion bedingten Beschwerden entstehen also
erst einige Zeit nach dem Nahrungsmittelkontakt, beginnen langsam und klingen
auch nur langsam wieder ab.
IgG4-Antikörper bzw. Komplexe kann man im Blut messen.
Bei Reaktionen dieses Typs werden keine Antikörper gebildet. Maßgebend sind
hier nahrungsmittelspezifische T-Lymphozyten, die nach Kontakt mit einem Allergen
aktiviert werden und in Zusammenarbeit mit anderen Immunzellen (Granulozyten)
lokale Entzündungsreaktionen hervorrufen.
Diese Form der allergische Reaktion ist gleichzeitig die am langsamsten ablaufende.
Einen Zusammenhang zwischen dem betreffenden Nahrungsmittel und den dadurch
ausgelösten Symptomen ist durch die tagelange Verzögerung nicht mehr offensichtlich.
Der Nachweis einer Typ IV - Allergie ist erst seit einigen Jahren möglich
und erfolgt mittels Lymphozyten-Transformations-Test (LTT-Test). Bei diesem
Verfahren werden die aus dem Patientenblut isolierten, lebenden Lymphozyten
bis zu 6 Tage mit dem fraglichen Allergen in Kontakt gebracht, wobei die allergieauslösenden
spezifischen T-Gedächtniszellen aktiviert werden. Nachgewiesen wird dann die
Vermehrung dieser Immunzellen.
dass hinter allergieverdächtigen Symptomen unter Umständen auch sogenannte
"Pseudoallergien" stecken können, macht die Sache noch komplizierter. Denn
Pseudoallergien sehen - wie der Name schon sagt - allergischen Reaktionen
zum Verwechseln ähnlich.
Eine echte Lebensmittelallergie wird fast immer durch Eiweißverbindungen ausgelöst,
es kommt neben den typischen allergischen Reaktionen auch zur Bildung von
Antikörpern oder es sind zumindest Immunzellen beteiligt. Zusatzstoffe sind
keine Eiweiße, sie lösen deshalb sogenannte "Pseudoallergien" aus. Dabei kommt
es zwar - wie bei "echten" Allergien - zur Ausschüttung verschiedener Entzündungsstoffe,
aber nicht zur Bildung von Antikörpern oder anderen Immunreaktionen.
Rund 2 Millionen Betroffene in Deutschland reagieren auf bestimmte Farbstoffe,
Konservierungsstoffe oder den Geschmacksverstärker Glutamat "pseudoallergisch"
und müssen deshalb die Zutatenlisten besonders sorgfältig lesen. Sie sollten
auch die E-Nummer und die verschiedenen chemischen Bezeichnungen für den jeweiligen
Stoff kennen. Bei einer Pseudoallergie findet man trotz eingehender Suche
weder bei den üblichen Hauttests noch bei den schon genannten Laboruntersuchungen
eine allergiespezifische Immunreaktion. Der Nachweis gelingt nur mit speziellen
und aufwendigen Testverfahren, bei denen die Ausschüttung der Entzündungsstoffe
aus lebenden Blutzellen nach Kontakt mit dem entsprechenden Zusatzstoff direkt
gemessen wird.
Die Ursachen von Allergien sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt.
Hier einige Stichworte, die insbesondere die naturheilkundlichen Erfahrungen
berücksichtigen
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Einige der genannten Punkte lassen sich beeinflussen oder sind Grundlage naturheilkundlicher Behandlungsansätze.
Typ-I-Reaktionen vom Soforttyp kann man mit Hauttests untersuchen (z.B. Pricktest).
Genauer und weniger belastend sind Untersuchungen im Blut. Sowohl bei den Sofortreaktionen (Typ I) als auch bei den verzögerten Reaktion vom Typ III lassen sich die beteiligten Antikörper direkt im Blut nachweisen (siehe auch -> Allergietest).
Auch pseudoallergische Reaktionen auf Lebensmittel-.Zusatzstoffe kann man heute mit aufwendigen Methoden durch Laboruntersuchungen im Blut nachweisen (siehe auch -> Allergietest).
Massentestes auf IgG Antikörper (mit teilweise über 300 Einzelallergene), wie sie von manchen Labors direkt oder über Apotheken u.ä. angeboten werden, sind kritisch zu betrachten. Einerseits werden 98% aller klinisch relevanten Typ III-Allergien von nur 60 verschiedenen Nahrungsmitteln verursacht, d.h. alle anderen (echten) Reaktionen sind Raritäten. Andererseits ist ein Ergebnis mit vielen positiven Testungen u.U. nicht durch Allergien bedingt, sondern durch eine gestörte Barrierefunktion der Darmschleimhaut (sie wird sozusagen "undicht"). Die dann im Blutkreislauf auftauchenden, großen Nahrungsmittelmoleküle lösen auch ohne "echte" Allergie die Bildung einer Vielzahl von IgG-Antikörpern aus. Hier muß man nicht die vielen, "postiv" gestesten Nahrungsmittel weglassen, sondern die Darmschleimhaut behandeln. Dazu kommt noch, dass durch diese IgG-Massentests die Typ I und Typ IV -Allergien überhaupt nicht erfaßt werden.