Praxis
Dr. med. Martha Ritzmann-Widderich - Arno Widderich - Rottweil
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Die Ernährungsberatung spielt bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen
in der Naturheilkunde traditionell eine grosse Rolle, obleich über den
Stellenwert sogenannter "Rheumadiäten" in der Vergangenheit
häufig gestritten wurde.
Neuere Untersuchungen und Studien zeigen aber, daß diätetische
Maßnahmen einen positiven Einfluß auf Beschwerden, Krankheitsverlauf
und Allgemeinzustand haben.
Da rheumatische Erkankungen häufig einen chronischen Verlauf zeigen, muß auch eine Ernährungstherapie grundsätzlich langfristig angelegt sein.
Daneben muß eine ensprechende Ernährungstherapie die krankheitsspezifischen
Veränderungen der Nährstoffaufnahme, des Stoffwechsels und des Immunsystems
berücksichtigen.
Wichtige Bestandteile eines solchen Ernährungskonzeptes sind heute Fasten-
bzw. Rohkostperioden am Anfang bzw. bei Schüben, gefolgt von einer Umstellung
auf eine lactovegetabile Vollwerternährung sowie die nahrungsergänzende
Zufuhr von entzündungs- und stoffwechselbeeinflussenden bioaktiven Mikronährstoffen.
Ziel der Ernährunsgmaßnahmen ist eine Unterstützung der medikamentösen, physikalischen und ggf. naturheilkundlichen Therapie über eine langfristige diätetische Entzündungshemmung.
Die anfängliche Fastendauer muß auf die individuelle Ausgangssituation des Kranken, insbesondere seine verbliebenen Resourcen und seine Fähigkeit zur Selbstregulation abgestimmt sein. Das Fasten in dieser Situation unterscheidet sich teilweise deutlich vom "Fasten für Gesunde" und erfordert die Betreuung und Überwachung durch einen erfahrenen Fastenarzt bzw. eine Fastenärztin, möglichst in Zusammenarbeit mit einem Rheumatologen.
Dem Fasten folgt ein stufenweiser Kostaufbau, der unter Berücksichtigung individueller Nahrungsmittelunverträglichkeiten in eine ausgewogene Vollwertkost führt. Nahrungsmittel, die häufig zu einer stärkeren Entzündungsaktivität führen sind z.B. Fleisch und Wurstwaren, Zucker, Weißmehl, Alkohol, gehärtete Fette und erhitzte Milchprodukte.
Das Konzept der Vollwerternährung ist durch eine gezielte Auswahl und
Zubereitung von Nahrungsmitteln charakterisiert, um eine energiereduzierte,
fettarme Kostform mit einem hohen Anteil an Vitaminen (insbesondere Vitamin
C und E) und Carotinoiden zu erreichen. Im Mittelpunkt stehen pflanzliche
Nahrungsmittel (Getriedeprodukte, Gemüse, Obst, Kartoffeln, Hülsenfrüchte
etc.) sowie Milch und Milchprodukte. Zusätzlich können in geringen
Mengen auch Eier sowie Fisch und Fleisch das Nahrungsangebot ergänzen.
Bevorzugt werden möglichst natürliche, d.h. wenig bearbeitete Lebensmittel,
wobei etwa die Hälfte der Nahrungsmenge aus unerhitzter Frischkost bestehen
soll.
Eine solche Vollwerternährung ist als Dauerkostform geeignet und läßt
sich gut im Alltag umsetzen. Voraussetzung sind eine kompetente begleitende
Ernährungsberatung und wiederholte Schulungen.
Arachidonsäure ist eine mehrfach ungesättigte Fettsäure und wird ausschließlich über tierische Nahrungsmittel (vor allem tierische Fette, Fleisch, Wurstwaren, Eier usw.) aufgenommen. Die Arachidonsäure führt zur Bildung bestimmter Eikkosanoide, die u.a. bei der Auslösung von Gelenkentzündungen eine grosse Rolle spielen. Fasten und Diätformen, die arm an tierischen Nahrungsmitteln sind, können einen erhöhten Arachidonsäurespiegel senken und damit die Entzündungsaktivität bei rheumatischen Errkankungen vermindern. Dieser Effekt tritt allerdings mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ein, da Arachidonsäure nur langsam abgebaut wird.
Omega-3-Fettsäuren gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren
und kommen vorwiegend in Pflanzenölen (alpha-Linolensäure) sowie
in Kaltwasserfischen und Meerestieren vor. Bestimmte Omega-3-Fettsäuren
blockieren den entzündungsauslösenden bzw. verstärkenden Effekt
der Arachidonsäure (s.o.). Aufgrund der vorliegenden Studien kann es
als gesichert gelten, daß eine Ernährung mit einem hohen Anteil
an Omega-3-Fettsäuren entzündlich rheumatische Erkrankungen günstig
beeinflußt.
Empfohlen werden 1-2 Gramm Omega-3-Fettsäuren pro Tag, kurzfristig am
Anfang oder in Schubsituationen auch mehr. Diese Mengen können mit einer
"normalen", insbesondere vegetarischen Ernährung meist nicht
zugeführt werden, so daß man hier auf Nahrungsergänzungen
zurückgreifen muß.
Im Verlauf von rheumatischen Entzündungen entstehen grosse Mengen Sauerstoffradikale.
Dies sind agressive Stoffwechselzwischenprodukte, die ihrerseits in der Lage
sind, Zellen und Gewebe anzugreifen und damit den Entzündungsprozeß
im betroffenen Gelenk zu verstärken. Einen wirksamen Schutz vor diesen
aggressiven Sauerstoffverbindungen bieten neben körpereigenen Enzymen
vor allem die von außen zugeführten Antoxidantien (Vitamin C, E,
beta-Carotin u.a.).
Vitamin E beeinflußt darüber hinaus den Stoffwechsel der Arachidonsäure
(s.o.) und verhindert den Anstieg verschiedener entzündungsauslösender
Stoffe (bestimmter Zytokine) und wirkt damit über immunologische Faktoren
der Entzündung entgegen.
Selen ist ein essentielles Spurenelement d.h. es ist lebensnotwendig und der Körper ist auf eine Zufuhr von aussen angewiesen. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Inaktivierung freier Radikale (s.o.) und entfaltet verschiedene Effekte im Bereich des Immunsystems. Dies ist vermutliche auch der Grund, warum der Ausgleich eines Selenmangels bzw. die zusätzliche therapeutische Gabe von Selen oftmals den Krankheitverklauf bei Rheumatikern positiv beeinflußt. Bei vielen entzündlichen Rheumaformen handelt es sich nämlich um Autoimmunerkrankungen, also einen "Angriff" des Immunsystems auf körpereigene Gewebe (z.B. die Gelenkbinnenhaut). Bei Rheumatikern ist die Selenkonzentration im Blut oft vermindert.
Die Erfahrung zeigt, daß sich bei vermehrter Zufuhhr von Vitaminen der B-Gruppe (z.B. B1, B6, B12) über das lebensnotwendige Maß hinaus, das psychische Befinden verbessert und die Schmerzempfindlichkeit nachläßt. Auch in einer neueren Studie konnte damit eine Verringerung des Schmerzmittelverbrauchs bei Rheumatikern nachgewiesen werden. B-Vitamine sind übrigens als bioaktive "neurotrope" (d.h. die Nervenfunktion beeinflussende) Mikronährstoffe in der Erfahrungsheilkunde und Orthomolekularen Medizin schon lange bekannt.
Gewichtsreduktion bei Übergewicht
Zeitweiliges Fasten unter ärztlicher Überwachung
Umstellung auf eine vorwiegend lactovegetabile Vollwerternährung
(lactovegetabil = vegetarisch unter Einschluß von Milch und Milchprodukten),
inbesondere mit Reduktion von Fleisch und Fleischprodukten.
Regelmäßiger Genuß von Seefisch (Makrele, Kabeljau,
Lachs etc.)
und verwendung hochwertiger Pflanzenöle (Soja-, Raps-, Walnussöl
etc.)
Aufnahme kalziumreicher Lebensmittel und regelmäßige Bewegung
an der frischen Luft
(Sonne führt in der Haut zur Bildung von Vitamin D3, das die Kalziumaufnahme
ermöglicht),
um der Entstehung einer Osteoporose vorzubeugen.
Bedarfsgerechte Ergänzung von Vitaminen (B, C, E), Selen und Omega-3-Fettsäuren.
Einschränkung bzw. Verzicht auf Alkohol und Nikotin.